Nach ca. viereinhalb Monaten ständigem Ortswechsel hatte ich mir vorgenommen, mich mal wieder an einem Platz für längere Zeit niederzulassen, mich auf eine Kampfkunst zu konzentrieren und diese von Grund auf zu erforschen.
Als ich im Iran war, hatte ich verschiedene Orte und Kampfkünste zur Auswahl. Da war Thailand mit Muay Thai und Krabi Krabong. Dort war ich allerdings schon dreimal und ich wollte so oder so später wieder dorthin.
Die zweite Möglichkeit war Südindien und Kalarippayat, eine Kampfkunst, die in Kerala entstand und oft als die „älteste“ Kampfkunst der Welt bezeichnet wird.
Ich entschied mich allerdings für Sri Lanka und Angampora. Angampora ist dem Kalarippayat sehr ähnlich und hat ebenfalls eine sehr lange Geschichte. Diese Kampfkunst ist allerdings außerhalb von Sri Lanka noch nicht wirklich bekannt und gerade deshalb zog mich diese mystische Art zu kämpfen magisch an.
Da dir wahrscheinlich Angampora bisher noch kein Begriff ist, möchte ich dir mit dieser Artikelreihe gerne erklären, um was es sich genau bei dieser „Kriegskunst“ handelt, welche eine Jahrtausende alte Geschichte und Tradition hat.
Im ersten Teil geht es um die Entstehung und die Geschichte bis zur britischen Kolonisierung. Im zweiten Teil zeige ich dir dann, wie es mit Angampora nach der Unabhängigkeit Sri Lankas weiter ging und was für die Zukunft geplant ist.
Bei Angampora handelt es sich um eine der ältesten Kampfkünste der Welt, wenn nicht sogar die Älteste überhaupt. Legenden besagen, dass diese Kriegskunst bereits vor 30.000 Jahren entstand. Ob man dem glauben mag, ist eine andere Sache. Schriftstücke jedoch beweisen, dass Angampora in jedem Fall bereits vor 2.500 Jahren zur Ausbildung der singhalesischen (Bevölkerung Sri Lankas) Armee gehörte.
Die Singhalesen gehen davon aus, dass König Mahasamata diese Art zu kämpfen vor ca. 30.000 Jahren erschaffen hat. Es wird behauptet, dass Mahasamata der erste König auf Erden war.
Eine weitere wichtige Figur in der Geschichte des Angampora ist Saeth Pulasti. Er war ein sehr begabter Doktor und in die Kunst der Akupunktur eingeweiht. Dieses Wissen konnte er auch im Kampf nutzen und so erschuf er den Angriff auf Vital- und Pressurpunkte. Diese Techniken sind noch heute ein wichtiger Bestandteil im Angampora.
Seath Pulasti war auch der Großvater des großen Dämonenkönigs Ravana, welcher vor ca. 5000 Jahren Herrscher über Sri Lanka war. Ravana hatte 10 Köpfe und 20 Arme, dies ermöglichte ihm, einer der größten Angampora Krieger überhaupt zu werden. Noch heute wird Ravana als Gottheit und bester Krieger aller Zeiten verehrt.
In der langen Geschichte Sri Lankas wurde immer wieder von außen versucht, die kleine Insel einzunehmen. Dank der gut ausgebildeten Angampora Krieger, dauerte es Jahrtausende, bis letztendlich im Jahre 1815 die Briten durch eine politische Intrige die Macht über Lanka gewannen. Doch bis zum heutigen Tag wurde die Insel niemals durch eine vernichtende Schlacht besetzt, da die Einheimischen wussten, wie man kämpft.
Vor der Kolonisierung durch Großbritannien wurde Angampora sowohl in der singhalesischen Armee gelehrt, als auch unter der Normalbevölkerung. In der Königsfamilie war es Pflicht, dass jeder das Kämpfen lernen musste, auch Königinnen und Prinzessinnen. Zu dieser Zeit war Angampora für jeden Singhalesen zugänglich.
Der Begriff Angampora, beschreibt eigentlich nur die waffenlosen Techniken. Allerdings beinhaltet die Kampfkunst auch bewaffnete Techniken, das Ilangampora, sowie schwarze- und weiße Magie, das Maya Angam.
Die waffenlosen Techniken können wiederum in vier Kategorien eingeteilt werden:
Guti haramba:
Bei diesen Techniken handelt es sich um Schläge und Tritte. Das offensive- und defensive Kämpfen ähnlich wie bei anderen Kampfkünste.
Pora Haramba:
Pora Haramba behandelt Ringertechniken, Takedowns und Bodenkampf.
Gata Haramba:
Hebel und Grifftechniken finden im Angampora im Stand, sowie am Boden Anwendung.
Ilan Haramba:
Bei diesen Techniken werden Nerven- und Pressurpunkte des Feindes attackiert.
Im Ilangampora, den bewaffneten Techniken, gibt es 21 verschiedene Waffen. Wenn es einem Angampora Krieger möglich ist, alle dieser 21 Waffen zu beherrschen, gilt er als kompletter Krieger. Allerdings reicht ein Leben nicht aus, um alle Techniken zu erlernen. Es sei denn, man hat 10 Köpfe, 20 Arme und ist unsterblich so wie König Ravana.
Es gibt verschiedenste Waffen, die wahrscheinlich überall in der Geschichte verwendet wurden, so wie Schwerter, Dolche, Messer, Stöcke oder Pfeil und Bogen. Aber es gibt auch ein paar spezielle Waffen, die nur im Angampora Anwendung finden.
Eine spezielle Waffe ist z. B. das „Ankaningse“, welches aus einem Rehgeweih gefertigt wird. Mit dieser Waffe werden gezielt die Nerven- und Pressurpunkte angegriffen, um die Wirkung weiter zu verstärken.
Eine weitere echt beeindruckende Waffe ist das „Paticaluya“, das „Gürtelschwert“. Es besteht aus 7 dünnen Blechstreifen, die sau scharf sind. Diese Waffe wird ähnlich wie eine Peitsche genutzt und ist perfekt geeignet, um sich Angreifer vom Hals zu halten, bzw. sie zu entstellen, dass nicht mal ihre eigene Mutter sie wieder erkennen würde.
Da Angampora eine sehr alte, traditionelle Kampfkunst ist, beinhaltet es natürlich auch einige alt hergebrachte Rituale, die von Zeit zu Zeit durchgeführt werden. Diese Rituale dienen dazu die Götter um ihren Beistand und Schutz zu bitten. Allerdings gab es aber auch Rituale, bei dem der Guru (Trainer) das Horoskop des Schülers prüfte, um die Eignung zum Angampora Krieger zu prüfen.
Ein Ritual, welches bis zum heutigen Tage überliefert wurde und allgegenwärtig ist, ist das Entzünden der drei Kerzen. Dies wird jedes Mal durchgeführt, wenn das Angam Maduwa (Trainingsort) betreten wird. Bevor das Training beginnt, werden diese Kerzen durch den Guru entzündet.
Die erste Kerze wird zu Ehren Buddhas entzündet, da der Großteil der Bevölkerung in Sri Lankas buddhistisch ist. Seitdem Buddha nach Sri Lanka kam, ist der Buddhismus das Rückgrat der Kampfkunst Angampora.
Die zweite Kerze wird entzündet, um die Götter Ravana und Katharagama (Gott des Krieges) zu ehren, die diese Kampfkunst extrem beeinflussten. Die zweite Kerze wird aber auch entzündet, um den vorherigen Guru’s den nötigen Respekt zu zollen.
Die dritte Kerze wird erleuchtet, um die Eltern zu ehren und ihnen Respekt zu zeigen. Es symbolisiert all die Verantwortung, die ein Angampora Krieger gegenüber den Guru’s, seinen Eltern und der Gesellschaft hat und wahrnehmen muss.
Ein weiterer essenzieller Bestandteil dieser Kriegskunst ist das Trommeln, welches das Training, sowie die Schlachten begleitete. Da Angampora für die Schlacht gedacht ist und nicht als Selbstverteidigung oder Sportart wird es durch Trommeln begleitet.
Grund dafür sind zum einen die vielen verschiedenen Geräusche, die man auf dem Schlachtfeld aufnahm und welche verwirrten. Deshalb wurde auf dem Training sowie auf dem Schlachtfeld eine Trommel geschlagen, damit die Krieger sich auf die erlernten Techniken fokussieren konnten. Es wurde eine Verbindung zwischen den erlernten Techniken und den zu hörenden Rhythmen geschaffen.
Es gibt verschiedene Arten von Rhythmen, so wird zum Beispiel eine typischer Schlacht-Rhythmus gespielt, um den Puls der Krieger oben zu halten, welches zu Folge haben sollte, dass sie während eines Kampfes nicht zu schnell müde wurden.
Eine weitere rituelle Art die Krieger zu unterstützen war die Anwendung weißer Magie. Diese wurde neben der ayurvedischen Medizin angewandt, um sie zu heilen oder zu stärken, also einen positiven Einfluss auf eine Person auszuüben.
Wo es weiße Magie gibt, ist die schwarze Magie auch oft nicht weit. Auch diese wurde verwendet, wenn die Angampora Krieger in die Schlacht zogen. Diese wurde aber vielmehr genutzt, um den Gegner zu schwächen und zu beschwören, also um eine negative Wirkung beim Feind zu bewirken.
Mit dieser Kriegskunst konnte die Bevölkerung von Sri Lanka über Jahrtausende ihr Land verteidigen. Allerdings schafften es die Briten dann doch irgendwann die Insel zu kolonisieren.
Erfahre im nächsten Teil, was mit Angampora, den Guru’s und den Kriegern unter der Kolonialherrschaft geschah, wie Angampora im Jahr 2016 praktiziert wird und wie die Zukunft für eine der ältesten Kampfkünste unserer Erde aussieht.
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