Während meiner ersten Station in Garmisch-Partenkirchen vom 27.07.2015 bis zum 03.08.2015 habe ich direkt schon einmal über den Tellerrand des eigentlichen Kampfsports hinaus geschaut.

Wenn man an Bayern und Kampfsport denkt, dann fällt einem im ersten Moment zunächst einmal keine typische bayrische Kampfkunst ein. Im zweiten Gedanken kommt man dann wahrscheinlich auf das „Fingerhakeln“.

Beim Fingerhakeln handelt es sich um eine alpenländische / bayrische Tradition bei der zwei Männer im direkten Vergleich ermitteln, wer der stärkere ist. Also letztendlich auch ein Kampf, Mann gegen Mann. Dies war auch der Grund dafür, warum ich mich entschieden habe, mir diese Tradition etwas genauer anzuschauen.

In folgendem Artikel erfährst du die Hintergründe zum Fingerhakeln, wo es verbreitet ist und was man während des Wettkampfs beachten sollte.

Die Hintergrundinformationen habe ich von dem „Fingerhakler“ überhaupt, dem amtierenden alpenländischen Meister im Schwergewicht Josef Utzschneider. Ich habe ihn in seiner Heimat Ohlstadt bei Garmisch-Partenkirchen besucht und mit ihm trainiert.

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Beim Fingerhakeln handelt es sich um eine bayrische Art des Kräftemessens. Geschichtlich wurde diese Tradition das erste Mal im 16. Jahrhundert erwähnt und konnte bis zum heutigen Tage weiter getragen werden.

Der Ursprung des Sportes ist die Beilegung von kleinen Streitigkeiten zwischen zwei Männer in der Wirtschaft. Bevor man sich aufs Maul haut, zieht man den anderen über den Tisch, um Schlimmeres zu vermeiden.

Die Tradition wird durch ein reges Vereinsleben erhalten und weiter gegeben. Man kann es sich vorstellen wie in einem dörflichen Fußballverein. Es werden Sitzungen gehalten, Feste gefeiert, Ausflüge unternommen und der Verein unterstützt seine Wettkämpfer natürlich bei den Meisterschaften.

Im Vergleich zu früher ist das Fingerhakeln mittlerweile sehr organisiert, mit eigenen Verbänden, Vereinen (die Gaue), einem festen Regelwerk und natürlich auch Meisterschaften. Dort gibt es die deutsche, bayrische und alpenländische Meisterschaft. Bei der alpenländischen Meisterschaft handelt es sich um eine länderübergreifende Veranstaltung, bei der u.a. auch Österreich teilnimmt.

Die „Statuten der Fingerhakler“ ist das Regelwerk, welches bei jedem Wettkampf Anwendung findet. Dort ist u.a. auch festgehalten, welche Gewichts- und Altersklassen es gibt, ganz ähnlich wie den Regeln beim Kampfsport. Das Ziel ist, dass nur gleiche Paarungen ausgetragen werden.

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Beginnen darf man mit dem Training im Alter von sechs Jahren und wie es bei fast allen Sportarten ist, umso früher man anfängt, umso erfolgreicher kann man im Alter werden.

Der Sport wird leider nur „relativ“ regional betrieben. Sehr verbreitet ist er in Südbayern. Allerdings gibt es auch Vereine im Spessart ganz im Norden von des Bundeslandes. Allgemein lässt sich sagen, dass das Fingerhakeln in ganz Bayern und in Teilen von Österreich, insbesondere in Tirol betrieben wird.

Wenn du als weibliche Leserin meines Blogs nun Interesse am Fingerhakeln bekommen hast, muss ich dich leider enttäuschen. In den Statuten steht schwarz auf weiß, dass nur Männer zu Wettkämpfen zugelassen sind. Das ist nun mal Bayern, da ticken die Uhren noch anders 😉

Für alle männlichen Interessenten an diesem Sport… Um bei Wettkämpfen teilzunehmen, muss man Mitglied in einem eingetragenen Fingerhakler Verein sein. Wenn du Interesse hast dich in diesem Sport zu messen, solltest du die lokalen Vereine kontaktieren und einfach mal auf dem Training vorbei schauen, um zu sehen, ob es etwas für dich ist.

Die Trainingsroutine bei den Fingerhaklern ist von Gau zu Gau verschieden, manche trainieren das ganze Jahr über.  Manche Personen sogar jeden Tag. Den Sportlern vom Gau Werdenfels reicht es allerdings aus erst 4-6 Wochen vor den Wettkämpfen das Training aufzunehmen, um  bei den Meisterschaften abzuräumen. Also Talent spielt mit Sicherheit eine Rolle!

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So konnte der Verein bisher über viele Jahre an der Spitze der Fingerhakler mitkämpfen. Schon der Vater von Josef, der den Sport seit über 40 Jahren betreibt, war immer mit vorne dabei und hat diesen Ehrgeiz und Erfolg seinem Sohn weiter vermacht, sodass Josef schon seit seiner Kindheit immer wieder Titel ins Gau Werdenfels holen konnte. Mittlerweile auch schon seit 26 Jahren.

Das Wichtigste bei diesem Kraftsport ist die Reaktion und Schnelligkeit, das schnelle Umsetzen der Kraft auf Kommando, sprich Schnellkraft. Man kann noch so viel Muskel und Kraft haben, wenn man diese nicht innerhalb von Sekunden Bruchteilen umsetzten kann, wird man über den Tische gezogen.

Wenn du dir gerne mal das Fingerhakeln aus der Ferne anschauen möchtest, dann hast du dieses Jahr noch zwei Möglichkeiten Meisterschaften zu besuchen. Zum einen die deutsche Meisterschaft am 09.08. in Rimbach im bayrischen Wald und die bayrische Meisterschaft 06.09. in Frohnhofen im Spessart. Für alle weiteren Termine kannst du die Website des Gau’s Schlierachgau besuchen.

Die Trainingsstätte des Gau Werdenfels ist sehr spartanisch eingerichtet, ein Tisch, zwei Hocker, verschiedene Gewichte zum Trainieren und zwei Lederschlaufen an der Decke für Klimmzüge und das alles in einer Zimmermannswerkstatt.

Als ich mit meinem Vater und meinem Bruder zu Besuch war, um dort zu trainieren, wurden wir sehr herzlich von den Sportlern und der Familie empfangen, weshalb ich dir nahe legen kann ,einfach mal auf einem Training vorbei zu gehen, falls du Interesse hast dich im Fingerhakeln auszuprobieren. Du wirst willkommen sein!

Nach dem eigentlichen Training haben wir noch mehrere Stunden gemütlich zusammen in der Werkstatt gehockt, bei Augustiner Bier, Hausmacher Wurstspezialitäten, sogar eine Flasche Westerwälder Kümmel haben wir uns in den Kopf gehauen.

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Wir haben viel über unserer Heimat, Familie und natürlich den Sport geredet. Alles in allem muss ich sagen, dass ich mich sehr willkommen gefüllt habe und ich freue mich auf ein Wiedersehen. Ich erhoffe mir für meine weitere Reise, dass ich weiterhin auf solch herzliche und bodenständige Menschen treffe, wie die Fingerhakler vom Gau Werdenfels in Ohlstadt.

Vielen Dank für den Einblick in eine alte, interessante, bayrische Tradition und weiterhin viel Erfolg für das Gau Werdenfels!

Die Fotos von meinem Training im Fingerhakeln findest du hier …

Wenn du noch weitere Fragen oder Anregungen hast, dann kannst du mir gerne weiter unten ein Kommentar hinterlassen. Ich werde dir so schnell wie möglich antworten!

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