Oft herrschen Vorurteile gegen Kampfsportler bzw. Kampfkünstler. Sie seien brutal, gewalttätig, gefühllos, etc. Ja sogar einmal wurde mir direkt ins Gesicht gesagt, dass Menschen, die sich für Kampfsport interessieren oder betreiben, doch irgendwie dumm wären.
Doch die Menschen, die hinter die Kulissen blicken oder selbst eine Kampfkunst betreiben, wissen ganz genau, dass es so viel mehr ist als sich nur auf die Fresse zu hauen. Für manche Menschen ist der Kampfsport ein Ventil, für andere ein Weg aus einer Lebenskrise oder gar ein Weg aus Armut und Krieg.
Kampfsport kann Leben verändern! Dazu habe ich vier verschiedenste Menschen interviewt. Alle haben eine andere Lebensgeschichte, doch eine Gemeinsamkeit … die Kampfkunst beeinflusste ihr Leben so positiv, dass es ihre Leidenschaft wurde und oft auch ein richtiger Halt den sie nicht mehr missen möchten.
WIE KAMPFSPORT LEBEN VERÄNDERT
JAN STEINBÄCHER, 34 JAHRE, EHEMALIGER INVESTMENTBANKER
90 Stunden Wochen, Meetings bis tief in die Nacht mit internationalen hochanspruchsvollen Kunden, die einem den Schlaf rauben. Jan Steinbächer aus Heidelberg fädelte als Investmentbanker Fusionen und Verkäufe von großen Unternehmen ein. Ein Job, der an den Nerven zerrte. Als Jan merkte, dass die Schlafprobleme und der Alkoholkonsum immer krasser wurden und sich seine Persönlichkeit dadurch veränderte, zog er die Reissleine und besann sich auf seine wahre Leidenschaft, dem Kampfsport.
In den 90ern kam er durch ein Werbeplakat zum Wing Tsun. Nach seiner Ausbilderprüfung widmete er sich allerdings dem Wettkampfsport Muay Thai, da er sich athletisch entwickeln wollte.
So kam es auch, dass Jan nach seinem Ausstieg als Investmentbanker nach Thailand reiste, um sich dort erst einmal wieder dem Muay Thai zu widmen. Er wechselte dann nach ein paar Wochen zum Brazilian Jiu Jitsu, um seine Bodenkampfskills zu entwickeln.
Jan trainierte u. a. beim Tiger Muay Thai und Phuket Top Team so konsequent und fokussiert, dass er sich letztendlich in Bangkok einem M.M.A. Kampf stellte.
Das Kampfkunsttraining hat für ihn einen vergleichbaren Effekt wie die Meditation. Er sagt, er erhalte im Training die gewisse Leichtigkeit und Gelassenheit, die man im Alltag benötigt, ohne den „Biss“ und die Fitness für knifflige Situationen zu verlieren.
Zurück in Deutschland hat Jan seine Geschichte niedergeschrieben, was gleichzeitig eine Art Therapie für ihn war. In seinem Buch „Der Käfigkämpfer“ kannst du Jan’s Lebensgeschichte und seinen Ausbruch im Detail nachlesen. Ein Buch, welches ich dir echt ans Herz legen kann, wenn du kampfsportbegeistert bist oder einfach nur nach Motivation suchst, aus dem Alltag zu entfliehen.
Für die Zukunft hat sich Jan vorgenommen, dass er weiterhin konsequent dran bleibt, was für ihn manchmal etwas schwer ist, neben dem Beruf und dem Hausbau. Urlaube nutzt er seit seinem Ausstieg allerdings komplett um sich aufs Training zu konzentrieren, wie z. B. Ende August auf dem NoGi Seminar in Zypern von BJJ Eastern Europe.
WIE KAMPFSPORT LEBEN VERÄNDERT
MOHAMAD RAMINAENI, 26 JAHRE, ASYLBEWERBER
Mohamad wuchs während des Krieges und religiöser Konflikte in Afghanistan auf. Für ihn war es an der Tagesordnung, dass er Schüsse oder Explosionen hörte und der Tod war allgegenwärtig. Als Sohn einer 9-köpfigen Familie war jeder neue Tag ein Kampf. Jeden Tag mussten Mohamad, seine Eltern und seine Geschwister hoffen, dass nichts passiert und dass es für Essen und Trinken reicht.
Sein Vater arbeitet zwar als Ingenieur in Afghanistan, aber es ist trotzdem fast unmöglich eine Familie nur mit einem Gehalt durchzubringen.
Mohamads Kindheit war geprägt von Waffengewalt durch den Krieg in seinem Land. Im Kung-Fu fand er ein Ventil und eine Leidenschaft. Er konnte sich auf etwas sinnvolles konzentrieren und somit den rechten Weg einschlagen.
Er trainierte so unerbittlich, dass er sogar Mitglied im afghanischen Nationalteam für Wushu wurde. So konnte Mohamad auch in andere Länder reisen, um dort an Meisterschaften teilzunehmen. Auf der Weltmeisterschaft in Malaysia gelang es ihm, die Silbermedaille für sein Heimatland zu gewinnen.
Leider konnte er auch als Spitzensportler keinen großen Beitrag zur Unterstützung seiner Familie leisten. Er bekam umgerechnet ca. 12 € pro Monat für seine Aufwendungen, welches auch in Afghanistan sehr wenig ist.
So entschied sich Mohamad vor ca. einem Jahr sein Land zu verlassen und es in Europa zu versuchen. Mit der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 gelangte er nach Deutschland, wo er mittlerweile seit acht Monaten lebt. Dort angekommen bemerkte er schnell, dass bei uns Wushu nicht so weit verbreitet ist und deshalb beschloss er ins Muay Thai und ins K1 zu wechseln.
Mohamad konnte in seiner kurzen Zeit in Deutschland bereits drei Kämpfe im K1 bestreiten und alle für sich entscheiden. Durch diesen Erfolg hat er Blut geleckt und er möchte nun auch weiter in Vollkontakt kämpfen.
Für die Zukunft hat er sich große Ziele gesteckt. Er möchte gerne weiterhin in Deutschland bleiben und hier trainieren. Als ich ihn fragte, was sein Trainingsziel sei, sagte er mir, er wolle Champion werden. Solch eine Aussage kann nur von einem wahren Sportler kommen. Ich wünsche Mohamad viel Glück bei seinem Vorhaben und dass er weiterhin mit uns im Martial Arts Club in Diez trainieren kann.
WIE KAMPFSPORT LEBEN VERÄNDERT
MARCUS MEURER, 39 JAHRE, UNTERNEHMER
Reisen in ferne Länder, von überall mit dem PC arbeiten und können, sich seinen Tag frei einteilen und die lokalen Kampfkünste vor Ort trainieren. Klingt für viele nach einem Traum, doch Marcus Meurer hat es geschafft, diesen Traum in die Tat umzusetzen.
Der Berliner ist Onlineunternehmer, digitaler Nomade und Gründer der ersten Konferenz für digitale Nomaden, der DNX Berlin. Er braucht nicht mehr als seinen Laptop und eine Internetverbindung um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Freiheit hat ihn bereits in alle möglichen Ecken unserer Erde gebracht und dort versucht er sich immer wieder gerne in den heimischen Kampfkünsten.
Marcus machte bereits als Kind einen kurzen Ausflug ins Karate, doch erst im Erwachsenenalter fand er dann den Weg zurück zum Kampfsport. Da ihm das Training im Fitness-Studio nicht genug war und er danach immer noch Energie hatte, startete er zunächst im Krav Maga und fand schnell heraus, dass es da was gibt, bei dem er sich richtig auspowern kann.
Durch seine Reisen als digitaler Nomade, besuchte er u.a. Thailand und Brasilien, zwei Länder, die echte Hotspots für Kampfkunst Enthusiasten sind. Dort trainierte Marcus u. a. Muay Thai und Brazilian Jiu Jitsu. Von der Fighters Street auf Phuket, wo sich auch das Tiger Muay Thai und Phuket Top Team befinden, ist Marcus so angetan, dass er sobald wie möglich zurückkehren möchte, um dort an seinen Zielen zu arbeiten.
Das Kampfsport Training hat auf Marcus Alltag eine ganze Handvoll positive Einflüsse. Durch das Training sei er viel ausgeglichener und ausgeruhter, da er nach einer harten Trainingseinheit viel besser schlafen kann. Die körperliche Fitness wirkt sich auch auf die geistige Fitness aus und so ist Marcus viel produktiver und fokussierte in seinem Berufsalltag aus Online Unternehmer.
Auf das Training und seine sportlichen Ziele bezogen zitiert er Notorious B.I.G. „Sky‘s the Limit“. Marcus möchte noch mehr Kampfkünste ausprobieren, noch mehr trainieren, noch fitter und besser werden. Er ist für alles aufgeschlossen und wird auch noch in Zukunft den Lifestyle des digitalen Nomaden weiterleben und dadurch an besten Plätzen weltweit arbeiten, leben und trainieren.
Wenn du mehr über Marcus Meurer und seine Projekte erfahren willst, empfehle ich dir seinen Podcast LIFE HACKZ oder die Digitale Nomaden Messe DNX.
WIE KAMPFSPORT LEBEN VERÄNDERT
ALEX, 19 JAHRE, SCHÜLER
Alex geriet schon in sehr jungen Jahren auf die schiefe Bahn, die aus Alkohol, Drogen, Gewalt und Diebstahl bestand.
Der Sohn einer deutschen und eines Argentiniers rutschte durch falsche Freunde und schlechten Umgang in die Kriminalität ab und nach eigenen Aussagen fing er schon mit 13 Jahren an, krumme Dinger zu drehen und scheiße zu bauen.
Schnell spielten Drogen und Alkohol eine Hauptrolle im Alltag von Alex. Mit ca. 16 ging es dann los mit den ersten Gang Gruppierungen, letztendlich auch ein Club aus dem Rocker Milieu. Von da an war sein Leben ganz anders. Es wurde immer extremer, zwischenzeitlich sogar das ein oder andere Mal lebensgefährlich.
Alex realisierte nach und nach wie ekelhaft dieses Leben und dieser Teufelskreis aus Alkohol, Drogen und Kriminalität ist und dass es ihn im Leben nicht weiter bringt. Durch die Unterstützung seiner Familie und durch einen Verwandten fand er den Weg aus dieser Spirale, er begann Kampfsport zu trainieren.
Er begann zunächst mit dem Muay Thai, später dann auch mit dem Grappling und dem M.M.A. Alex sagt, er wollte schon lange etwas in seinem Leben ändern, doch er musste erst etwas finden was sein Interesse und seine Leidenschaft so weckte, dass er den Schritt aus seinem kriminellen Alltag wagen konnte.
Das Training gibt ihm unheimlich viel Kraft und Halt sagt er, da er körperlich so wie psychisch am Boden und kaputt war. Für die Zukunft wünscht er sich, dass er weiterhin das Interesse am Kampfsport behält, sodass es ihm weiterhin diese Kraft gibt, um den Abstand zu seinem alten Umfeld und Leben wahren zu können.
Hi Christoph,
coole Vorstellung von einigen Leuten, bei denen der Kampfsport augenscheinlich eine wichtige Veränderung im Leben mit getragen hat und noch immer eine bedeutende Rolle im Leben spielt.
Tatsächlich hat der Kampfsport in meinem Leben auch einmal eine wichtige Rolle gespielt und eine wichtige Veränderung herbeigeführt. Inzwischen komme ich aus verschiedenen Gründen jedoch nicht mehr dazu einem Kampfsport nachzugehen…
Irgendwann in naher Zukunft werde ich (vermutlich auf kleiner Flamme) jedoch wieder einsteigen.
Viele Grüße
Jahn
Hallo Jahn,
in jedem Fall hat es schon eine Veränderung herbei geführt, dass ist doch schon mal etwas. Für die Zukunft alles Gute im Kampfsport!
Bei mir ist es am ehesten wie bei Jan Steinbächer. Ich war Unternehmensberaterin mit ähnlichen Arbeitsbedigungen und habe dann zur Kampfkunst Taijiquan gefunden. Einige Zeit habe ich auch unterichtet, inzwischen schreibe ich einen Blog über Taijiquan und Qi Gong. Bin also eher Onlineunterehmerin wie Marcus Meurer (wusste bisher gar nicht, dass er so viel Kampfsport macht!).
Auf jeden Fall sind alle vier Menschen sehr inspirierend. Ich finde es toll, wenn junge Menschen früh eine Leidenschaft für sich entdecken.